Grimmas klingende Osterbotschaft

Das auch international bekannte Jugendblasorchester Grimma feiert sein 50-jähriges Jubiläum. Am Sonntag wird das Festjahr mit einem zünftigen Osterkonzert am Kloster Nimbschen eingeläutet. Der Eintritt ist frei.


In Grimma daheim – in der Welt zu Hause. Und das ist nicht mal übertrieben. In Brasilien, Kanada, Südafrika, Japan, Russland, dazu in halb Europa – auf fast allen Kontinenten sorgten die Musikanten des Jugendblasorchesters (JBO) für Furore. Allerdings nie ohne die Heimspiele außer Acht zu lassen. Ihren Fans an der Mulde würde etwas fehlen.

Das gilt auch anders herum: Die weitgereisten JBO-ler brauchen ihre treuesten Zuhörer wie Försterkinder die gesunde Waldluft. Wer wüsste das besser als Reiner Rahmlow. Der 62-jährige Orchesterleiter freut sich auf das Wiedersehen. Nach zweijähriger Corona-Zwangspause gibt es am Sonntag endlich wieder ein Osterkonzert.

Bei freiem Eintritt lädt er ab 13.30 Uhr an die Klosterruine in Nimbschen ein. Von Polka über Schlager bis hin zum guten alten Volkslied – für jeden ist etwas dabei. Premiere feiert das Queen-Medley, verkündet Rahmlow vollmundig und mit weit aufgerissenen Augen, als gelte es, jeden Moment in die Trompete zu pusten.

Roster, Kuchen und 50 Schokoladen-Osterhasen

Birgitt und Werner Joppig, die alten Hasen vom Förderverein, bitten mit Gleichgesinnten zur Musikantenklause. Wie immer bieten sie Limo, Roster und selbstgebackenen Kuchen an. Sämtliche Einnahmen kommen dem Jugendblasorchester zugute. Übrigens: In der Pause werden 50 Schoko-Osterhasen versteckt.

Nicht ohne Grund: Das JBO rundet sich, feiert 2022 sage und schreibe 50-jähriges Jubiläum. Auch das Muttertagskonzert am 8. Mai (mit 50 Blumensträußen), das Parkkonzert am 10. Juli (mit 50 Kugeln Eis gratis) und erst recht das 10. Internationale Musikantentreffen vom 9. bis 11. September stehen ganz in diesem Zeichen.

„Dieser scheiß Krieg“, flucht Orchesterleiter Rahmlow. Denn ursprünglich sollte sich zu den erwarteten 20 Kapellen aus fünf Ländern auch das Jugendorchester aus dem russischen Sotschi gesellen. „Eine Woche vor Kriegsbeginn hatte ich noch mit den Freunden gesprochen. Seitdem herrscht absolute Funkstille.“

In Kriegszeiten sind Märsche tabu

Noch 2019, vor Ausbruch der Corona-Pandemie, habe er am Schwarzen Meer geweilt, sagt Rahmlow. „Ich durfte an der Musikschule in Sotschi hospitieren. Alle waren sehr freundlich und hilfsbereit. Die Russen wären eine musikalische Bereicherung für unser Musikantentreffen. Dazu wird es nun nicht kommen.“

Lieder wie Katjuscha oder Kalinka habe er vorübergehend aus dem Programm genommen, sagt Rahmlow. Unter Hinweis auf den Krieg in der Ukraine seien derzeit auch Märsche tabu. Weil sie oft einen militärischen Hintergrund hätten, würden sie zum Osterkonzert bewusst nicht gespielt. Man hoffe auf das Verständnis des Publikums.

Er vermute, dass es auch nach Kriegsende nie mehr so werde wie bisher. Zu DDR-Zeiten hätten am 1. Mai das Jugendblasorchester und die Profis der sowjetischen Garnison auf dem Grimmaer Markt noch Seite an Seite musiziert. „Die Russen spielten wie die Götter! Ihr Sound ist etwas ganz besonderes – richtig geile Blasmusik.“

Aktivist der ersten Stunde

Rahmlow ist Aktivist der ersten Stunde. Er erlebte die Gründung des JBO vor 50 Jahren selbst mit. Es war 1972, als der bisherige Kreis-Fanfarenzug auf Weisung der FDJ zum Blasorchester umstrukturiert wurde. Fortan setzte man auf Trompete, Tenorhorn, Tuba und Co. Gespielt wurde ab sofort nach Noten.

Karl-Heinz Friedrich, genannt „Peppi“, übergab 1975 an Fritz Schlager. Der langjährige musikalische Leiter wiederum starb 1989. An seine Stelle trat Reiner Rahmlow, der bereits seit 1969 dabei war und als Übungsleiter zwischenzeitlich erste Erfahrungen auf Leitungsebene sammelte.

Die Mitglieder des Orchesterrates Lucia Buske (Keyboarderin), Schlagzeuger Thomas Buske, Bassgitarrist Edward Esslinger und Alena Rahmlow (Flügelhorn) arbeiten mit dem Vorstand, Reiner Rahmlow (Vorsitz), dessen Stellvertreterin Christina Michael und Schatzmeister Steffen Noack eng zusammen.

Die große Besetzung, wie sie auch zum Osterkonzert zu erleben sein wird, umfasst 45 Musikanten im Alter zwischen zehn und 20 Jahren. Rechnet man den Nachwuchs ab Klasse drei hinzu, wächst die Mitgliederzahl des Orchesters auf etwa 100 an. Jeden Tag wird geübt, Orchesterprobe ist immer am Freitag im großen Saal.

Bedingungen wie an der Hochschule

Die Mädchen und Jungen kommen aus dem gesamten Landkreis. Im traditionsreichen Gebäude am Schwanenteich-Park finden sie ideale Voraussetzungen vor. Rahmlow spricht gar von „Bedingungen wie an der Hochschule“. Und tatsächlich: Im Musikhaus von Grimma, einst Lehrerseminar, Lazarett, Russencasino und leerstehende Ruine, wird auf drei Etagen konzertiert.

Orchester und Förderverein sind der Stadt Grimma unendlich dankbar. Die Kommune ist Eigentümerin des altehrwürdigen Gemäuers, befreit die Musikanten von jeglichen Mietzahlungen. Lediglich für die Betriebskosten müsse der Verein selber aufkommen, sagt Oberbürgermeister Matthias Berger.

Berger nennt das JBO eine absolute Erfolgsgeschichte. „Das Orchester ist aus dem kulturellen Leben unserer Stadt nicht mehr wegzudenken. Auch für die Musikförderklassen ist das Haus längst unverzichtbar. So können Schüler ein Instrument erlernen.“ Neben der Stadt gehöre auch der Kulturraum zu den Förderern, sagt Stadtmusikdirektor Rahmlow.

Hauptsponsoren des Orchesters sind Sparkasse und Stadtwerke Grimma. Die entsprechenden Eigenanteile stemmen die Musikanten aus den Mitgliederbeiträgen und Einnahmen aus Konzerten, wie denen an Ostersonntag und Muttertag. „Wir geben den Grimmaern also immer auch etwas zurück“, sagen die JBL-er nicht ohne Stolz.

Die Grimmaer pflegen weltweit Kontakte zu Musikschulen und Orchestern in 20 Staaten. So wundert es nicht, dass vor Corona und Krieg bei Internationalen Musikantentreffen in Grimma bis zu 35 Ensembles aus neun Ländern gastierten. Mit dabei war auch mal das Jugendblasorchester aus St. Petersburg.

Stadtmusikdirektor ist mehr als ein Fulltime-Job

Seit 1994 leitet Rahmlow das JBO hauptamtlich. Es sei mehr als ein Fulltime-Job und ohne Verzicht auf manchen Feierabend auch nicht zu stemmen. Ob er zwischendurch in den Fitnessraum im Erdgeschoss geht, um sich die Spannkraft zu holen? Er lacht. „Nein. Natürlich werde ich es nicht mehr ewig machen. Und ja, die Nachfolge ist gesichert.“

Aber das sei im Jubiläumsjahr noch kein Thema, betont er. Am Ostersonntag würden in der großen Musikanten-Familie zunächst Eier gesucht. „Aber bitte wirklich nur Kinder. Wir hatten mal ein Osterkonzert, da versteckten wir Süßigkeiten und glaubten unseren Augen nicht, als hinter uns Erwachsene alles einsackten. Also, so nicht!“
Haig Latchinian

Beitrag teilen auf:  Facebook  /  Twitter

Leipziger Volkszeitung  vom 14.04.2022

Bild:

Jugendblasorchester-Chef Reiner Rahmlow.
Foto: Frank Prenzel