Grimma musiziert an der Mauer
250 Menschen pilgern auf Baustelle: Flutwall fasziniert die Grimmaer / Bauherr überzeugt mit Informationen zu Bauwerk und Technik / Orchester spielt in neuem Innenhof auf
Grimma. Es wirkte wie ein riesiger Lindwurm, der sich an der Mulde die Stadtmauer entlang schlängelte. Etwa 250 Leute wollten Mittwochabend die öffentliche Baustellenbesichtigung der Grimmaer Hochwasserschutz-Anlage nicht verpassen. Gemeinsam mit Oberbürgermeister Matthias Berger und den Projektchefs der Landestalsperrenverwaltung zogen sie von der Pöppelmannbrücke bis zur Roggenmühle, um neue Einblicke und Informationen zu erhalten.
Nach zwölfjähriger Bauzeit soll der 2070 Meter lange Flutwall Mitte 2019 seine Vollendung finden. „Bei den Kosten stehen wir bei 53 Millionen Euro“, erläuterte Heinz Kaiser, Betriebsteilleiter Mulde bei der Landestalsperrenverwaltung und damit oberster Bauherr für das Grimmaer Projekt. „Wir sind froh, dass uns die Teuerungswelle erst zum Schluss trifft“, sagte er mit Blick auf den angespannten Bausektor. Viele öffentliche Träger klagen, für ihre Vorhaben kaum noch Baufirmen zu finden. Das knappe Angebot bestimmt die Preise.
Von den 78 Verschlüssen fehlt nur noch das Tor an der Pöppelmannbrücke, wo jetzt mit dem Bau einer 30 Meter langen begehbaren Wand begonnen wurde. Sie reicht von der Brücke bis zum Schloss und schließt die letzte Lücke der imposanten Schutzanlage. Schon jetzt aber könne Grimma im Falle eines Hochwasser gut verteidigt werden, so Kaiser. Dazu dienen auch mit Sand gefüllt Big-Bags, die von der Stadt an der neuralgischen Stelle aufgetürmt wurden.
Eine Premiere erlebte die Interessenten-Schar zwischen Gymnasium und Klosterkirche. Hier entstand hinter den fünf Flutschutztoren der sogenannten Pergola ein gepflasterter Innenhof, in dem zum allerersten Mal Musik erklang. Das Jugendblasorchester Grimma hatte seine Instrumente ausgepackt und bot nicht nur eine Klangprobe, sondern auch eine Vorstellung künftiger Veranstaltungen. Gemeinsam mit dem bis zur Mulde reichenden Außenbereich werde sich hier neben dem Markt ein zweiter kultureller Veranstaltungsplatz entwickeln, versprach der Rathauschef. Im Hof steht eine Art Bühne, die sich als Bunker für Dammbalken entpuppt. Mit den Balken aus Metall, die entlang der Anlage geschickt eingelagert sind, wird im Ernstfall die zweite Schutzebene errichtet, nachdem innerhalb von zwei bis drei Stunden die 78 Öffnungen verschlossen sind.
Auf dem Weg zwischen den Stationen waren immer wieder anerkennende Worte zu hören. „Die Anlage ist das Beste für Grimma, ein absolutes Highlight“, schwärmte Christian Krafczyk. Auch die Gestaltung sei wunderbar. Die mit Naturstein verblendete neue Mauer, die vor die alte Stadtmauer gesetzt wurde, sei eine „fantastische Lösung“. Der Grimmaer hofft, dass die Anlage, die Schutz bietet vor einem Hochwasser, wie es statistisch alle 100 Jahre vorkommt (HQ 100), auch ein Signal für Unternehmer ist. Es lohne sich, in Grimmas Innenstadt zu investieren.
„Das ist schon eine Meisterleistung“, entfuhr es der Borsdorferin Ute Oelschläger. Es sei erstaunlich, was hier entstanden ist. Fasziniert vom Bau ist auch die Naubergerin Beate Diers. „Wenn die Anlage funktioniert, wie es alle sagen, ist das ein großer Fortschritt für Grimma.“
Auch Oberbürgermeister Berger ist voll des Lobes. Grimma bekomme einen „relativ hohen Schutz“ für 60 Millionen Euro geschenkt und werde an einer wichtigen Stadtseite aufgewertet. „Darüber können wir heilfroh sein.“ 80 Prozent der Anlage sei in die historische Bausubstanz integriert. Auf etwa 450 Meter ist der Uferbereich bereits wieder hergestellt und lässt die künftige Flaniermeile erahnen. Übrigens verbirgt sich ein Großteil des Flutschutzes in der Erde: Die unterirdische Mauer reicht bis zu zwölf Meter tief, und vor fünf Jahren wurde die sogenannte Grundwasser-Kommunikation fertig gestellt. Auch das Schöpfwerk für den Thostgrundbach ist Bestandteil des einzigartigen Flutwalls.
Frank Prenzel
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Leipziger Volkszeitung vom 07.09.2018
Bild:
Schotten dicht! heißt es in Grimma. Hunderte pilgerten zu einer Führung an die Flutmauer, um das Bauwerk zu verstehen. Zwischen Gymnasium St. Augustin und Klosterkirche sorgen Schotts für den Hochwasserschutz. Entstanden ist ein Festplatz mit Bühne, auf der das Jugendblasorchester jetzt erstmals musizierte. Foto: Thomas Kube